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DocScape ist responsive Design für Print

Stephan Lehmke • 20. August 2019

Layoutregeln passen sich dynamisch dem Kontext an:
Eine Fallstudie anhand einiger Experimente

Die Aussage „DocScape ist responsive Design für Print“ stammt von einem Bekannten, dem der Zusammenhang aufgefallen war, als ich noch gar nicht daran gedacht hatte. Das Designregelkonzept von DocScape erlaubt schon seit jeher, dass sich die Layout-Darstellung des Content von Print-Dokumenten den Verhältnissen auf der Seite dynamisch anpasst, bevor dieser Begriff für Websites überhaupt geprägt wurde.
Der Begriff responsive Webdesign steht für das Konzept, dass sich Websites dynamisch auf die Verhältnisse des Betrachters und dessen Endgerät einstellen, um diesem eine optimale Verwendung der Website zu ermöglichen.
Zentraler Bestandteil dieses Konzepts ist die Fähigkeit, den Content dynamisch unter Einhaltung übergreifender Designregeln so zu formatieren, dass die Darstellung optimal zu Geometrie und Auflösung des verwendeten Endgeräts passt.
Diese Anforderung weist viele Parallelen mit der dynamischen Aufbereitung von Content für die Darstellung in Print-Medien auf.
Im Folgenden möchte ich den Zusammenhang zwischen responsive Webdesign und responsive Printdesign etwas beleuchten und anhand einiger Experimente illustrieren.

Warum überhaupt responsive Printdesign?

Auf den ersten Blick ist die Idee des responsive Design für Print-Dokumente nicht besonders relevant. Der Leser hat auf das Medium ja keinen Einfluss; die Geometrie und Darstellung wird bei der Dokumenterstellung einmal festgelegt und verändert sich nach dem Druck nicht mehr.
Die Anforderung, Content dynamisch unter Einhaltung übergreifender Designregeln so zu formatieren, dass die Darstellung optimal zu einer vorgegebenen Geometrie und sonstigen Randbedingungen auf der Print-Seite passt, ist allerdings für die vollautomatische Generierung „gestalteter“ Dokumente sehr relevant.
Einige Detailaspekte zur Illustration:
  1. Der Platz auf einer Druckseite ist begrenzt.
    Diese eigentlich triviale Erkenntnis stellt für das automatische Print-Publishing „gestalteter“ Dokumente eine große Herausforderung dar. Jeder Abschnitt des Dokuments kann unterschiedlich viel Content enthalten, so dass für den optimierten Seitenumbruch und die Weißraumkontrolle komplexe Designregeln vonnöten sind. In diesem Kontext ergibt sich auch die Anforderung, einzelne Abschnitte passend so zu layouten, dass diese sich optimal auf der Seite kombinieren lassen.
    Bei Webdesign gibt es diese Herausforderung nicht, da die einzelnen Seiten nach Bedarf unterschiedlich groß sein dürfen.
  2. Beliebige Content-Mengen.
    Bei Templates gibt es häufig in Bezug auf die Menge der Inhalte enge Vorgaben: Bilder und Tabellen an festen Positionen, Text in einer gegebenen Anzahl Spalten o.ä. Will man „gestaltete“ Dokumente erzeugen, dann sind solche Begrenzungen zu eng. Es sollen beliebige Bildanzahlen und -geometrien und beliebige Textmengen verarbeitet werden können, aber Bilder und Text sollen trotzdem nach gewissen vorgegebenen Regeln „optimal” angeordnet werden.
  3. Unterschiedliche Mediengrößen.
    Geht man nach dem Prinzip des medienneutralen Content Management vor, dann kann derselbe Content in verschiedenen Medien in unterschiedlichen Kontexten, z.B. Schriftgrößen, Bildformate o.ä., vorkommen. Er sollte Corporate Design konform gelayoutet werden, ohne für jedes Medium spezielle Designregeln zu brauchen.
  4. Responsive electronic documents.
    Ob man dem Nutzer einer Website aufgrund eines media query nur ein zu seinem Endgerät passende PDF-Datei bzw. Blätterdokument präsentiert oder ob man verschieden gelayoutete Versionen eines Dokuments (inkl Druckversion) in einem PDF kombiniert: Nicht nur HTML-Websites bieten die Möglichkeit, sich responsiv auf das Endgerät des Nutzers einzustellen. Diese Möglichkeit besteht auch bei automatisch erzeugten PDF-Dokumenten, solange man diese entweder für verschiedene Geometrien und Auflösungen vorgeneriert und dann das passende ausliefert, oder beim Abruf dynamisch ein passendes PDF erzeugt.
  5. Optimierung von Seitenstrecken, Druckbogenoptimierung, vorgegebene Seitenzahl.
    Wenn eine dynamisch erzeugte Broschüre genau 16 Seiten haben soll, die Seitenzahl eines Katalogs aus drucktechnischen Gründen durch 32 teilbar sein muss, oder ein Kapitel so erzeugt werden soll, dass die letzte Seite unten sauber abschließt, dann ist es notwendig, den Content so zu layouten, dass dieser genau zur Seitenvorgabe passt. Ob Bildgrößen angepasst und optionale Texte hinzugefügt oder weggelassen werden, oder komplette optionale Inhalte (Projektbilder, Infokästen, Inserate) eingefügt oder weggelassen werden: In jedem Fall müssen viele Seiten mehrfach neu gelayoutet werden, bis alles perfekt passt. Grundvoraussetzung dafür ist, dass die eigentlichen Content-Abschnitte in verschiedenen Varianten und Geometrien gelayoutet werden können, um sie flexibel auf den Seiten kombinieren zu können.
  6. Raus aus der Template-Falle.
    Template-basierte Dokumente sehen häufig langweilig aus, besonders wenn sie komplett dynamisch aus variablen Daten generiert werden. Wird ein Dokument vollautomatisch aus Templates aufgebaut, entsteht meist eine vertikale Aneinanderreihung einzelner Abschnitte auf der Seite. Weißraum wird bestenfalls durch Füllelemente vermieden, Optionen für komplexe Seitenoptimierungen bestehen nicht.
    Bei einer regelbasierten automatischen Generierung wird für jeden Abschnitt eine Vielzahl von Layoutvarianten ausprobiert, die dann horizontal und vertikal kombiniert werden, um die Seite optimal zu füllen. Grundvoraussetzung hierfür ist die Möglichkeit, einen Abschnitt in vielen verschiedenen Geometrien und Varianten zu formatieren.

Layoutregeln sind responsive Design

Ob man eine Designregel für das Print-Publishing nun dynamisch, adaptiv oder responsiv nennt, ist eigentlich Geschmackssache, da es hier keine etablierten Begriffsbildungen gibt.
Im Webdesign haben sich einige feste Konzepte herausgebildet, z.B. adaptive Website oder responsive Website [1]. Um die Analogie zu unterstreichen, will ich die folgenden zwei Begriffe verwenden:
  1. Adaptives Template
    Der Ausgangspunkt ist ein klassisches Template, also eine feste Anordnung von Bildern, Tabellen und Text in einer vorgegebenen Geometrie.
    Den einzelnen Elementen des Templates kann man dann Regeln zuordnen, z.B. im Content nicht vorhandene Bilder weglassen, Verdrängungsregeln für unterschiedliche Bildgrößen oder Textmengen, Ausgabe optionaler Inhalte usw.
    So passt ein adaptives Template die eigentlich starre Anordnung der Inhalte an unterschiedliche Content-Ausprägungen an.
  2. Responsive Designregel
    Designregeln können Templates simulieren, indem Inhalte an festen Positionen platziert werden, aber normalerweise ist eine Designregel natürlicherweise responsiv: Vorhandener Content sowie der Seitenkontext wird analysiert, verschiedene mögliche Platzierungsvarianten evaluiert und schließlich eine Darstellungsform produziert, die sowohl dem Content als auch der Situation auf der Seite angepasst ist. Designregeln mit diesem dynamischen Verhalten sollen im Folgenden als responsive Designregeln bezeichnet werden.
Bei der vollautomatischen Generierung „gestalteter“ Dokumente sind adaptive Templates normalerweise nicht flexibel genug. Gleicher Content führt zu gleichem Layout, während eine responsive Designregel auch den Kontext der Seite und sonstige Randbedingungen in Betracht zieht und so bei gleichem Content ganz verschiedene Layouts produzieren kann.
Da DocScape ein regelbasiertes Layoutwerkzeug ist, werden im Folgenden daher nur noch responsive Designregeln betrachtet.

Funktionsweise responsiver Designregeln
Das Regelwerk für die automatische Generierung eines „gestalteten“ Dokuments muss sich am vorgegebenen Corporate Design orientieren. Vorgaben für das Layout eines einzelnen Abschnitts, die Anordnung von Inhalten auf der Seite, Einteilung des Content in Seiten, Weißraumoptimierung, Seitenzahlvorgabe sowie sonstige Randbedingungen (z.B. Bindung, Druckbogen, Schwarzwechsel) sind für verschiedene Publishing-Projekte meist sehr unterschiedlich.
Dennoch läuft der Prozess der regelbasierten Generierung eines „gestalteten“ Dokuments häufig in folgenden Phasen ab:
  1. Content-Analyse
    Welche Inhalte kommen in einzelnen Inhalts-Abschnitten vor? Welche Formate, minimale und maximale Größen haben Bilder und Tabellen? Wieviel Text ist vorhanden, wo befinden sich mögliche Umbruchpunkte? Wie müssen Bilder und Tabellen den Textabschnitten zugeordnet werden?
  2. Layout einzelner Inhalts-Abschnitte
    Anordnung der gegebenen Inhalte in einer bestimmten Geometrie. Wie die Inhalte eines einzelnen Abschnitts platziert werden, hängt vom vorhandenen Content selbst sowie vom Kontext ab, in dem der Inhalt auf der Seite platziert wird. Die Anpassung an den Kontext ist der eigentlich responsive Aspekt der Designregel: die Inhalte können nach Bedarf unterschiedlich gelayoutet werden, um optimal zusammen mit anderen Inhalten auf die Seite zu passen.
    Bei der optimierten Generierung ganzer Dokumente werden häufig vorab nach der Content-Analyse sämtliche Inhalte in verschiedenen Varianten gelayoutet, um Daten (minimale und maximale Abmessungen, Flächenbedarf in verschiedenen Varianten) für die Seitenplanung zu gewinnen.
  3. Seiten- / Doppelseitenplanung
    Zuordnung von Inhalten zu Seiten nach den Kriterien Fläche, Designkonzept, Anordnungsregeln usw. Häufig werden ganze Doppelseiten betrachtet, besonders bei Inhalten die über den Bund platziert werden.
    Je nach Designkonzept müssen die Inhalte in einer bestimmten Reihenfolge platziert werden oder können umsortiert werden.
  4. Seitenlayoutoptimierung
    Optimale Anordnung der verplanten Inhalte auf einer (Doppel-)Seite. Bei diesem Schritt werden ggfs. viele verschiedene Designvarianten einzelner Abschnitte sowie ganzer Seiten und Doppelseiten gelayoutet und nach Kennzahlen numerisch bewertet, um eine Zielfunktion für die Layoutgüte zu optimieren.
  5. Seitenumbruchoptimierung
    Dieser Schritt interagiert mit den vorhergehenden zwei: Sind nach Planung und (Doppel-)seitenoptimierung die Inhalte der Doppelseite ideal verplant oder sollten andere Verteilungen betrachtet werden, um die Seitengüte zu steigern?
    Wird angestrebt, für das ganze Dokument ein globales Optimum der Seitengüte zu finden, kann sich dahinter ein hartes algorithmisches Problem verbergen (Floorplanning- oder Knapsack-Problem [2]).
  6. Optimierung von Seitenstrecken, Druckbogen oder Gesamtseitenzahl
    Gibt es Vorgaben, dass jedes Kapitel auf einer bestimmten Seitenparität (links/rechts) beginnen und „sauber“ (ohne Weißraum) abschließen soll? Muss die Seitenzahl eines Dokuments aufgrund der Drucktechnik durch 4, 16 oder 32 teilbar sein? Ist für das gesamte Dokument eine Seitenzahl (z.B. 16) vorgegeben?
    Dies muss bei der Seitenplanung und -optimierung berücksichtigt werden, indem Content verdichtet oder ausgedehnt wird (z.B. durch optionale Inhalte, Vergrößern oder Verkleinern von Bildern), oder optionaler Content (Projektbilder, Inserate, Infokästen) zum Auffüllen eingefügt wird. Das Einfügen muss dabei nicht zwingend am Ende erfolgen, sondern kann überall innerhalb der Seitenstrecke genutzt werden, um vielleicht an schwierigen Umbrüchen noch die Seitengüte zu verbessern.
Es sollte an dieser Stelle vielleicht noch einmal betont werden, dass die oben beschriebenen Prozessschritte Teil der vollautomatisch ablaufenden Dokumenterzeugung sind. Für die genannten Entscheidungen, Planungen und Optimierungen ist also keine externe Eingabe durch einen Bearbeiter erforderlich, sondern diese laufen als Anwendung des vorgegebenen Design-Regelwerks automatisch ab. So wird aus jedem Eingabe-Content automatisch ein optimiertes Ausgabe-PDF.

Fallstudie anhand einiger Experimente

Im Folgenden soll eine mit DocScape erstellte responsive Designregel mit einigen Experimenten „in Aktion“ beobachtet werden.
Der Content sowie der Kontext der Seite (Seitenformat, vorhandene Inhalte) werden variiert, um das natürliche responsive Printdesign Verhalten einer DocScape-Layoutregel zu demonstrieren.
Dazu einige Vorbemerkungen:
  1. An dieser Stelle soll es von den oben genannten Funktionen nur um das responsive Layout eines einzelnen Abschnitts in verschiedenen Kontexten gehen. Weitergehende Optimierungen führen über den Fokus auf responsive Printdesign hinaus und werden bestimmt später einmal aufgegriffen.
  2. Wichtiger Hinweis: Der Verfasser ist kein Designer! In DocScape-Projekten wird meist ein vorgegebenes Design-Konzept für die vollautomatische Publikation implementiert, das Fachwissen der 4R Innovation liegt also mehr auf der technischen Ebene ;-)
    In Design oder Gestaltung kundigen Menschen werden sicherlich viele Fehler in den Beispieldokumenten auffallen; dies bitte ich mir nachzusehen und sich auf die Technik zu konzentrieren.
  3. Alle folgenden Beispiele werden von derselben Designregel erzeugt. Tatsächlich entstehen alle Abbildungen als Seiten desselben Dokuments, das mit einem Durchlauf erstellt wird. Lediglich der Kontext auf der Seite (vorhandener Platz, bereits auf der Seite vorhandene Inhalte) sowie bei späteren Beispielen der Content wird variiert. Weiter unten wird noch ein wenig die Funktion erklärt, und man kann das PDF-Dokument und das als Eingabe für die vollautomatische Erzeugung verwendete Daten-XML herunterladen.
  4. Die hier verwendete responsive Designregel wurde speziell für diese Experimente in wenigen Stunden `from scratch' erstellt. Damit soll verhindert werden, dass die hier demonstrierte Essenz des responsive Printdesign durch mit enormem Aufwand erstellte Custom-Regeln verschleiert wird. DocScape bringt sehr viel dessen, was man für responsive, dynamische, optimierende Designregeln braucht, out-of-the-box mit. Die folgenden Experimente sollen auch zeigen, wie einfach es ist, mit DocScape responsive Printdesign zu realisieren.
Aufgabenstellung
Als Eingabe dient eine XML-Datei mit strukturiertem Content für einen Abschnitt eines hypothetischen Dokuments, bestehend aus
  • Titel und Untertitel;
  • einer Folge von Textpassagen, die jeweils ein Bild (mit Angabe der gewünschten Breite), einen Zwischentitel, Teaser und Fließtext (alles optional) enthalten können.
Der Inhalt des Abschnitts soll als Block formatiert werden, wobei Titel und Untertitel über die ganze Breite gehen, darunter der Text ausgeglichen in mehreren Spalten (je nach vorhandenem Platz). Die Bilder sollen gleiten, dabei aber möglichst nah an „ihrer“ Textpassage bleiben.
Die genaue Struktur des Eingabe-XML und Details der Umsetzung der Designregel werden weiter unten erklärt.

Experiment 1: Anpassung an Seitenformate
Die folgenden Beispiele sind dadurch entstanden, dass derselbe Content durch dieselbe Regel auf Seiten unterschiedlichen Formats ausgegeben wird.
A4
A5
A6
A4 quer
Wie man sieht, haben sich durch die Änderung des Seitenformats einige Layoutdetails verändert. Anzahl und Breite der Textspalten passen sich dem vorhandenen Platz an. Der Fluss und Spaltenausgleich des Textes sowie die Platzierung der Bilder erfolgen so wie es der Seitenkontext erlaubt.
Beim A6-Format wurde automatisch die Schrift- und Bildgröße leicht modifiziert, um den Content noch auf eine Seite zu bekommen.
Auf der Seite im A4-Landscape Format hätten 4 Textspalten Platz gehabt, es wurde aber durch die Designregel die „Notbremse“ gezogen, um keine unschön in die Länge gezogene Darstellung zu erhalten. Die Hälfte der Seite bleibt frei für den nächsten Abschnitt.
Alle Anpassungen der Darstellung sind automatische Funktionen der responsiven Designregel, die ohne weiteres Zutun bei der Dokumenterzeugung ausgeführt werden.

Experiment 2: Anpassung an Hindernisse auf der Seite
Auch bei diesem Experiment bleibt der Content gleich; selbst das Seitenformat ist das Gleiche.
Auf der Seite sind aber bereits Inhalte vorhanden, bzw. bestimmte Bereiche der Seite können nicht mit Inhalt belegt werden, da sie für Deko-Elemente, Logos o.ä. reserviert sind.
Man kann erkennen, dass die Inhalte den gesperrten Bereichen „ausweichen“, ohne dass sich an der allgemeinen Darstellung etwas ändert. Während die hier verwendeten „Sperrblöcke“ eher willkürlich platziert sind, ist leicht vorstellbar, wie sich die Notwendigkeit eines sauberen Umgangs mit Hindernissen auf der Seite im gestalterischen Alltag ergibt.

Experiment 3: Anpassung an unterschiedlichen Content
Neben dem Seitenkontext ist unterschiedlicher Content, besonders was die Anzahl, Größe und Reihenfolge von Bildern und Tabellen angeht, sicherlich der wichtigste Anwendungsfall für responsive Printdesign.
Daher wird im folgenden Experiment die Textmenge sowie die Anzahl und Größe der Bilder variiert.

Und nun?

Damit soll dieses kleine Experiment schon beendet sein. Es wurde demonstriert, dass regelbasiertes automatisches Print-Layout viele Ähnlichkeiten mit responsive Webdesign aufweist: Content soll dynamisch unter Einhaltung übergreifender Designregeln so formatiert werden, dass die Darstellung optimal zu einer vorgegebenen Geometrie und sonstigen Randbedingungen des jeweiligen Mediums passt: responsive Printdesign.
Wenn man aber schon mal so weit gekommen ist, kann man sich natürlich fragen, was die nächsten Schritte wären, um aus dem kleinen Experiment ein großes nützliches automatisches Layoutwerkzeug zu machen.

Verfeinerung der Layoutregeln
Wie schon weiter oben erwähnt, kann sicherlich jeder halbwegs Design-kundige dutzende Layoutfehler in den obigen Beispielen aufzählen. Tatsächlich weist die Kombination von Bildplatzierung und Textfluss in Verbindung mit typographischen Regeln für Umbrüche, Überschriften, Leerräume usw. eine Menge Vorgaben und Spezialfälle auf, selbst wenn wir von rein ästhetischen oder kognitiven Aspekten absehen, die häufig algorithmisch schwer zu formalisieren sind.
Zum Glück bietet DocScape genug Ausdrucksmittel, um alle Gestaltungsregeln, die formalisierbar sind, auch umzusetzen. Es können also der bislang ziemlich einfachen Layoutregel weitere Vorgaben zur Optimierung der Bildplatzierung, der Textumbrüchen und zur Vermeidung von Lücken oder Treppen hinzugefügt werden.
Der Aufwand lohnt sich auch: Die Regel zur Formatierung eines einzelnen Artikels ist sehr universell und kann für viele Arten von Publikationen eingesetzt werden. Sie wird auch in übergreifenden Optimierungsschritten immer wieder angewendet, um Layoutvarianten desselben Contents zu berechnen. Der Aufwand für die Verfeinerung dieser Regel zahlt sich also an vielen Stellen aus.
Denjenigen, die mit einer automatisch arbeitenden Layoutregel nie zufrieden sein werden, weil sie eben nur rechnen kann und keinen „Blick“ für eine gelungene Layout-Gestaltung hat, sei ans Herz gelegt, auch an die Vorteile zu denken: Automatisch Publizieren heißt kostenfrei Personalisieren, Publikationen in beliebigen Sprachen, stets aktuell aus dem gerade medienneutral gepflegten Content. Hier kann es sich durchaus lohnen, frei nach der 80–20 Regel das Beste, was man mit vollautomatischer Publikation erreichen kann, „gut genug“ sein zu lassen.
Ausserdem: Es wird ja schon sehr viel automatisch erzeugt, häufig mit typographisch weitgehend unbedarften HTML-to-PDF Konvertern, zum Leiden eines jeden der so ein Dokument lesen muss. Hier gibt es durch vollautomatisches responsive Printdesign noch einiges zu verbessern.

Auffüllen der Seite
Die bislang gezeigte responsive Regel kann ja erstmal „nur“ einen einzelnen Abschnitt formatieren, unter Berücksichtigung der vorhandenen Geometrie und der Platzverhältnisse auf der Seite. Dies ist die beste Voraussetzung für den nächsten Schritt der Seitenplanung: Der Content kann in verschiedenen Geometrievarianten formatiert werden (3-spaltig wie hier gezeigt, 2-spaltig oder einspaltig) und dann kann eine vollständige Seite aus den resultierenden „Flecken“ zusammengesetzt werden. Sollte dabei Weißraum entstehen, kann man entweder der Layoutregel für Abschnitte ein paar Freiheiten geben, den Content mit etwas mehr oder weniger Platzbedarf zu formatieren (z.B. durch Anpassung der Bildboxen), oder man fügt optionale „Füllelemente“ ein.

Optimierung von Seiten, Doppelseiten und Seitenstrecken
Hierzu wurde ja bereits weiter Oben etwas gesagt.

Kurzer Blick auf die Technik

Die folgenden zwei Bilder dienen zur Illustration der technischen Umsetzung der oben demonstrierten responsiven Designregel.
Das erste Bild  zeigt einen Ausschnitt aus der XML-Eingabedatei. Wie man sieht, ist die Struktur nicht sehr spektakulär. Das Element <content> umschließt den Content, der gesetzt werden soll, aufgeteilt in die verschiedenen Unterelemente. Bilder haben eine Breitenvorgabe, einfach deswegen weil sie relativ willkürlich aus dem Stock gezogen wurden und variierende Auflösungen haben. Genauso gut könnte die „natürliche“ Breite des Bildes (bounding box) abgemessen werden, wenn diese einen sinnvollen Wert hätte. Die Designregel darf die Bildbreite noch reduzieren, wenn es hilft, mit dem Platz auszukommen.
Die Breitenangabe eines Bildes bezieht sich auf das Gestaltungsraster des Dokuments, das man auf dem zweiten Bild sehen kann.
Die Linien geben die Rastereinteilung der A4-Seite in 9 Spalten und Zeilen entsprechend dem Grundlinienabstand der Textschrift wieder. Die gelben Flecken zeigen nicht belegte Rasterzellen.
So können Designregeln entscheiden, wieviel Platz noch auf der Seite ist bzw. ob Inhalte in einem bestimmten Format noch auf die Seite passen: Die aktuelle Belegung des Gestaltungsrasters kann im Regelwerk jederzeit abgefragt werden.
Je nach Seitenformat ist das Gestaltungsraster etwas anders aufgebaut und hat mehr oder weniger Spalten. Dies fragt die Designregel ab und formatiert den Content entsprechend.
Das Element <variante> im Datensatz löst dann die eigentliche Publikation aus: Eine Seite der gegebenen Größe wird erzeugt und der Content darauf ausgegeben. Innerhalb von <variante> werden auch mit <block> die Blockaden auf der Seite für das zweite Experiment vorgegeben.
Durch Klick auf den XML-Screenshot können Sie die gesamte XML-Eingabedatei für die obigen Experimente herunterladen.
Durch Klick auf den PDF-screenshot erhalten Sie die gesamte PDF-Ausgabedatei. Sollten Sie beim PDF überall die „gerasterte“ Darstellung sehen, haben Sie einen PDF-Viewer, der keine Ebenen unterstützt.  DocScape erzeugt im verwendeten Debug-Modus automatisch einige Zusatzebenen (wie auf dem screenshot gesehen), die die Inspektion der Layoutstruktur und des Rasters ermöglichen. Diese sind aber normalerweise ausgeblendet.

Funktion der Designregel
Hier noch in groben Schritten die Funktionen, die die für die Experimente verwendete Designregel ausführt.
  1. Content abspeichern für die weitere Verwendung.
  2. Beim Element <variante> wird das geforderte Seitenformat eingestellt und die mit <block> angeforderten Blockaden auf der Seite platziert.
  3. Es beginnt ein einfacher „Optimierungslauf“, der den Zweck hat, den Content komplett auf der Seite unterzubringen. Dazu gibt es drei „Größenprofile“, die jeweils leicht unterschiedliche Schriftgrößen, Grundlinienabstände und ggfs. reduzierte Bildgrößen vorgeben. Das erste ist die normale Konfiguration, die beiden anderen stellen reduzierte Größenvorgaben dar, um Platz auf der Seite zu sparen. Die Größenprofile werden der Reihe nach durchprobiert, bis kein Seitenüberlauf auftritt.
  4. „Innerhalb“ dieses Optimerungslaufs wird die für die Blockdarstellung des Artikels benötigte Höhe bestimmt. So etwas ist heuristisch schwer abzuschätzen, da es von Platzierungsmöglichkeiten für die Bilder und dem Textumbruch abhängt.
    Man könnte vorab eine grobe Schätzung des Platzbedarfs machen, indem man die Flächen der Bilder und Textspalten einzeln bestimmt und zusammenzählt; darauf wurde hier aber aus Gründen des Umsetzungsaufwandes verzichtet.
    Stattdessen werden einfach ansteigende Höhen nacheinander ausprobiert, bis kein Überlauf mehr auftritt.
  5. Die eigentlich Ausgabe des Content erfolgt dann so, dass zunächst Titel und Untertitel ausgegeben werden.
  6. Danach werden die im XML gelisteteten Abschnitte nacheinander ausgegeben.
  7. Für jeden Abschnitt wird zunächst das ggfs. enthaltene Bild platziert (mit der vorgegebenen Breite) und dann der Textinhalt mehrspaltig ausgegeben.

Externe Referenzen

Die folgenden Verweise führen zu Zielen außerhalb dieser Website, deren Inhalt ich mir nicht zu Eigen mache. Bitte beachten Sie, dass der Verfasser nicht sicher stellen kann, dass unter einem externen Link heute noch das erscheint, was bei meiner Inspektion dort zu finden war.
[2] HP Technical Report HPL-2002-286: Automatic layout of variable-content print data, Eldan Goldenberg, 2002. https://hplabs.itcs.hp.com/techreports/2002/HPL-2002-286.pdf

Ich danke allen, die bis hierhin gelesen haben, für die Aufmerksamkeit. Gern stelle ich weitere Möglichkeiten des vollautomatischen Publishing persönlich vor, z.B. als Online-Präsentation. Nehmen Sie einfach Kontakt auf!

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